
1. Im Hunsrück Camp

Gedanken zur Friedensbewegung in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
„Langsam übertreibt es die Friedensbewegung nun aber wirklich. Ich habe ja nichts dagegen, wenn sich diese Leute zusammenschließen und eine Menschenkette bilden, doch sollten sie sich dann gefälligst auch Friedensbewegung nennen und nicht etwa ihren Verein mit dem Namen „Hunsrück" schmücken. So sah ich es z. B. am 20. 10. 1984 in Gödenroth. Dort stand ein riesengroßes Plakat mit der Aufschrift: „Der Hunsrück wehrt sich." Die Friedensbewegung tut also so, als wenn der Hunsrück komplett hinter ihr stehen würde. Doch das ist, glaube ich, genau falsch. Am gleichen Tag habe ich nämlich von einem eingefleischten Hunsrücker folgende Meinung gehört: .,Die ganzen Hunsrücker Bauern sollten sich mal zusammentun und diesen Verrückten von der Friedensbewegung eine ordentliche Tracht Prügel zukommen lassen." Lothar Forster, Sabershausen
Wir stellen zur Diskussion!
Vor einigen Wochen fanden einige Freunde von der Friedensbewegung im Hunsrück einen Brief von der'RAF' in ihren Briefkästen.
Zumindest dem Inhalt und der Diktion nach könnte er von RAF-Mitgliedern verfaßt worden sein. Dieser Brief ist eine "hungerstreikerklärung und erklärung zur zusammenlegung der gefangenen aus der raf". Er appeliert an die "solidarität der revolutionären linken im kampf gegen das kapitalsystem und den faschismus" und fordert die Zusammenlegung der jetzt einzelinhaftierten RAF-Mitglieder in Gruppen sowie ihre Anerkennung als Kriegsgefangene.
Nun ist es wichtig zu sagen, von wem auch immer diese Briefe abgesandt wurden, daß wir uns in der Friedensbewegung von den Aktionen und Zielen der RAF distanzieren. Wir lassen uns auch nicht als Sympatisanten von Gewalt und Bombenterror verdächtigen.
Unsere Friedensarbeit ist grundsätzlich gewaltfrei. Wenngleich, wie wir mit Sorge beobachten, der Gewaltbegriff von manchen Politikern soweit verdreht wird, daß bereits eine Behinderung als Gewalt bezeichnet wird.
Was möchte man mit diesem Brief erreichen?
Kommt er von RAF-Mitgliedern, so könnte es der Versuch sein, Sympatisanten zu werben oder zumindest eine gewisse Tolerierung der RAF-Aktionen zu erreichen. Angesichts der jüngsten Anschläge auf militärische Einrichtungen der Amerikaner könnte ähnliches auch im Hunsrück geplant sein.
Um so wichtiger ist es für unsere Arbeit in der Friedensbewegung uns derartigen Versuchen deutlich zu widersetzen.
Um es nocheinmal klar zu stellen.
Wir sind und bleiben gewaltfrei. Unser Ziel ist Frieden zu schaffen ohne Waffen. Wir versuchen der Macht (und häufiger der Gewalt) Weniger eine Bewegung Vieler entgegenzusetzen, die ausschließlich mit friedlichen Mitteln der Bedrohung der Menschen durch Waffen, Hunger und Unterdrüdkung entgegen wirken will.
"Bei windigem Wetter hielten wir zu viert wacker unsere Transparente. Erst an der Einfahrt, dann oben bei den drei Kreuzen. Nichts außergewöhnliches. ... ciao
Michael (Stammtisch Bacharach, Vier-Täler-Gebiet), am 22. Juli 1985 "
"Heutige Mahnwache von 16:00 bis 18:00 Uhr. Von 17:00 - 18:00 Uhr unterhielten wir uns mit zwei jungen Polizisten. Das Gespräch verlief sehr interessant. Sie äußerten die großen Ängste der Polizei vor dem bevorstehenden Frauenwiderstandscamp. Ansonsten begegneten uns noch viele unfreundliche Autofahrer.
Rosi und Elisabeth"
Zurückgeblieben ist trotz der Erschöpfung und inneren
Erschütterung nicht Resignation (ich glaube nicht, daß auch
nur eine Einzige oder ein Einziger durch das Urteil
abgeschreckt wurde), sondern einmal mehr die Gewißheit, auf
dem richtigen Weg zu sein. Das eigentliche Recht war vor
dem Richterspruch längst gesprochen. Deshalb werde ich
auch beim nächsten mal - am 28. und 29. Mai - wieder mit
dabei sein - und sitzen bleiben!
Der ganze Text ist hier nachzulesen => Blockadeprozess 1987 im Hunsrück
"Wie gelang es der Friedensbewegung im Hunsrück, Öffentlichkeit für ihre Belange herzustellen ?"
Mobilisierung durch Information
Mit großem persönlichen Engagement und viel Witz gelang es, auch überregionale Medien auf die Problematik der verstärkten Militärpräsenz im Hunsrück aufmerksam zu machen. Viel wichtiger war aber, daß die Friedensbewegung durch eine offensive Informationspolitik anfängliche Ressentiments bei der Bevölkerung abbauen konnte, so daß die Initiative letztlich von der Mehrzahl der Hunsrücker Bürger getragen wurde. Daher stellt sich die Frage: “Wie gelang es der Friedensbewegung im Hunsrück, Öffentlichkeit für ihre Belange herzustellen?“
Gerade diese breite Unterstützung durch die Bevölkerung ist eine Besonderheit der Friedensbewegung im Hunsrück. Die Mobilisierung einer Vielzahl sonst eher unpolitischer und auch konservativer Bürger, die das Konzept der atomaren Abschreckung prinzipiell bejahten, war das Ergebnis dieser Öffentlichkeitsarbeit. Während in der gesamtdeutschen Friedensbewegung politische Gruppierungen wie die Grünen, die DKP und Gewerkschaften sowie einige kirchliche Gruppen dominierten, arbeitete die Friedensinitiative auf dem Hunsrück weitgehend unabhängig von solchen Gruppen regional selbständig.
Zur Friedensbewegung in Deutschland und in Europa gibt es eine Reihe von Publikationen, mit der Situation auf dem Hunsrück beschäftigen sich explizit naturgemäß nur wenige Veröffentlichungen. Diese sind in der Regel von Autoren aus dem Umfeld der Friedensbewegung selbst oder von Kritikern derselben verfaßt und daher in ihrer Sichtweise sehr einseitig. Für die Recherche der Arbeit der Bürgerinitiative auf dem Hunsrück ist auch die Lektüre der lokalen „Hunsrücker Zeitung“ von Bedeutung. Diese heißt inzwischen „Rhein-Hunsrück-Zeitung“ und wird von der Koblenzer „Rhein-Zeitung“ herausgegeben. Leider ist das Archiv der Zeitung sehr schlecht geführt, glücklicherweise verfügt jedoch die „Integrierte Gesamtschule Kastellaun“ über eine umfangreiche Sammlung alter Exemplare der Zeitung, die mir für meine Arbeit zur Verfügung stand.