Donnerstag, 22. April 2010

Friedensacker bei Bell

Text von Dieter Junker in "Evangelischer Kirchenkreis Simmern Trarbach"

Der Hunsrück in den 80er Jahren: Ende 1981 war bekannt geworden, dass in der Nähe der Dörfer Hasselbach, Bell und Wüschheim die 96 Cruise Missiles stationiert werden sollen, die im Nato-Doppelbeschluss für Deutschland vorgesehen waren. Dagegen protestierte die Friedensbewegung. Und das Kreuz wurde zu einem Sinnbild dieses Protestes. Vor 25 Jahren wurden 96 Kreuze auf einem Acker bei Bell aufgestellt.
„Diese Kreuze direkt am Stationierungsgelände wurden zu einem wichtigen Symbol der Hunsrücker Friedensbewegung“, meint rückblickend Heidrun Kisters (Kirchberg). Sie arbeitete damals im Friedensbüro, zunächst in Kirchberg, später in Kastellaun. Unübersehbar mahnten die 96 Kreuze direkt an der viel befahrenen


Hunsrückhöhenstraße für den Frieden und waren ein stummer Ausdruck des Protestes gegen die 96 Cruise Missiles, die zwischen Bell und Hasselbach stationiert werden sollten.
Die Idee zu diesem Friedensacker hatte der 1986 verstorbene Friedensaktivist Horst Braun aus Kirchberg. Die Eheleute Kneip aus Bell, denen der Acker gehörte, stimmten dem Vorhaben zu, und an Ostern 1984, unmittelbar vor dem Ostermarsch, wurden sie aufgestellt. „Am Anfang waren viele auch hier im Ort etwas skeptisch wegen dieser Kreuze. Doch später, vor allem, als sie immer wieder zerstört worden, solidarisierten sich viele mit den Kreuzen“, erinnert sich Lore Kneip.


Die Kreuze, sie sollten rasch zu einem Sinnbild der Hunsrücker Protestes gegen die Nachrüstung und die Stationierung von 96 Marschflugkörpern werden. Nicht nur die 96 Kreuze auf dem Friedensacker, auch das große Friedenskreuz am Haupttor des Stationierungsgelände, wo die evangelische Kirchengemeinde Bell seit 1983 jeden Sonntag zum Friedensgebet einlud. Oder die vielen Kreuze, die der Aktionskünstler Bernhard Eitelgörge überall im Hunsrück aufstellte. „Für mich waren diese Kreuze ein Zeichen des Lebens und der Hoffnung gegen den Tod“, betont August Dahl, der damals Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Bell war. Und Lore Kneip ergänzt: „Die Kreuze wurden für viele zu einem Wallfahrtsort.“



Die Beller Kirchengemeinde wurde damals zu einem Zentrum dieses Protestes gegen die Nachrüstung im Hunsrück. „Immer, wenn Gruppen unsere Kirchengemeinde oder den Hunsrück besuchten, besuchten sie auch den Friedensacker“, erzählt Jutta Dahl. Und sie betont: „Gerade im Angesicht des Hochsicherheitstraktes, wo die Raketen aufgestellt werden sollten, hatten die Kreuze eine ganz andere Bedeutung und Wirkung. Sie waren eine wichtige Mahnung.“

„Zum ersten Mal sah ich die Kreuze, als ich mit den Ordensleuten für den Frieden auf dem Beller Markt gezeltet habe und bevor ich nach Krastel gezogen bin“, erinnert sich Clemens Ronnefeldt (Freising). Er unterstützte von 1986 bis 2003 die Hunsrücker Friedensbewegung und ist heute Referent für Friedensfragen beim Internationalen Versöhnungsbund ist. „Als Theologe beeindruckte mich dabei die Symbolkraft dieses Ackers“, so Ronnefeldt.


Doch für viele wurden diese Kreuze auch ein Ärgernis. 18 Mal wurden sie herausgerissen, umgesägt oder zerstört. Immer wieder richteten Mitglieder der Friedensbewegung sie dann wieder auf. Jutta Dahl: „Das war manchmal schon frustrierend. Viele überlegten sich, ob wir den Friedensacker nicht mit einem Zaun schützen sollten.“ Doch dieser Gedanke wurde rasch verworfen. „Wir erkannten, dass wir uns dann genauso verhalten hätten wie das Militär, das seine Einrichtungen auch einzäunt. Wir entschieden uns für den geduldigen Weg“, so Jutta Dahl.


Viele Hunsrücker, aber auch Gruppen und Verbände aus ganz Deutschland übernahmen Patenschaften für ein Kreuz. Und vor der Großdemonstration am 11. Oktober 1986 im Hunsrück nahmen Friedensgruppen, Kirchengemeinde oder kirchliche Einrichtungen ein Kreuz mit in ihre Gemeinde, um sich so mit dem Protest im Hunsrück zu solidarisieren. „Eure Kreuze werden unser Kreuz“, so lautete das Motto dieser Initiative der „Sumpfdotterblume“, einer gewaltfreien Aktionsgruppe kirchlicher Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Es war schon beeindruckend, wie durch solche Patenschaften in viele Gemeinden in Deutschland die Botschaft von Hasselbach, von Raketen und Widerstand gebracht wurde“, so Clemens Ronnefeldt.



Als Anfang der 90er Jahre die Marschflugkörper vom Hunsrück abgezogen wurden, entstand die Frage, was mit den 96 Kreuzen geschehen soltel. Schließlich entschied sich die Hunsrücker Friedensbewegung im Sommer 1993 dafür, die Kreuze zu entfernen und drei als Mahnung und Erinnerung stehen zu lassen. Clemens Ronnefeldt: „Sie bleiben ein Symbol, nicht nachzulassen im Einsatz gegen den atomaren Wahnsinn. Für Frieden und Gerechtigkeit.“ Und Lore Kneip meint: „Wenn ich heute an den drei Kreuzen vorbeifahre, bin ich sicher, dass diese Kreuze für die damalige Zeit eine wichtige Aufgabe hatte. Und ich bin froh, dass wir diesen Acker dafür zur Verfügung gestellt haben.“



Weitere Bilder vom "Friedensacker" bei Bell in diesem Forum.




Ich habe über zehn Jahre in Bell gelebt und dieses verstaubte Dia aus den
80er Jahren auf meinem Speicher in Mainz gefunden.

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