Montag, 17. September 2012

Nahost-Konflikt: Jugendliche erarbeiten Resolution

Rhein-Hunsrück-Zeitung - Kulturelle, politische und religiöse Differenzen lassen sich nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen. Das zeigt ein Blick in den Nahen Osten. Auch nach Jahrzehnten voller Gewalt ist ein Frieden zwischen Israelis und Palästinensern nicht in Sicht – auch wenn ein Hoffnungsschimmer bleibt. In den vergangenen Jahren sind bei Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen mehr als 3000 Menschen getötet worden. Ein Gegenstand des Konflikts ist der Wunsch der Palästinenser nach einem eigenen Staat, dessen Territorium das Westjordanland mit Ost-Jerusalem und den Gazastreifen umfassen soll. Auf beiden Seiten sind die Fronten verhärtet.


Eine Geste des gegenseitigen Vertrauens und der Versöhnung: Die Jugendlichen (von links) Jakob Nehls, Dina Alaraj, Tal Arbel, Carolin Manns, John Bader und Einat Goldmann reichen sich in Oberwesel die Hände.
Maximilian Eckhardt

Während sich im Nahen Osten die Gewaltspirale unvermindert weiterdreht, zeigt sich in Kastellaun ein ganz anderes Bild. Im Hochseilgarten klettert ein Jugendlicher in schwindelerregender Höhe. Andere Jugendliche geben ihm Halt, sichern ihn mit Seilen. Auf den ersten Blick keine ungewöhnliche Situation. Und doch wäre sie im Nahen Osten undenkbar, weil es sich bei den Jugendlichen um Israelis und Palästinenser handelt. Anstelle sich mit Hass und Wut zu begegnen, behandeln sie einander respektvoll, helfen und vertrauen sich gegenseitig. „Der erste Schritt unseres Projekts ist gelungen. Ein friedlicher Dialog aller Beteiligten kommt zustande“, sagt Christof Pies. Der pensionierte Lehrer aus Kastellaun ist Leiter des vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler, der Initiative „I Hope“ (Hoffnung für Palästina) und dem Evangelischen Kirchenkreis Simmern-Trarbach getragenen Menschenrechtsprojektes, das auch über die Kreisgrenzen hinaus für Aufsehen sorgt. Es wird gefördert im Programm Europeans For Peace der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Hierbei begegnen sich 40 Jugendliche aus Palästina, Israel und Deutschland, um die eigenen kulturellen, politischen und religiösen Sichtweisen des anderen besser zu verstehen. Doch vorerst werden die alltäglichen Auswirkungen des Nahost-Konflikts außer Acht gelassen. In Kleingruppen widmen sich die Jugendlichen vielmehr dem Thema „Gleichstellung der Geschlechter in Vergangenheit und Gegenwart“ – mit der provokanten Frage „Frauen an den Kochtopf und Männer in den Krieg?“.

Sie besuchen im Kreisgebiet 25 Zeitzeugen und befragen sie zu ihren Erlebnissen im Dritten Reich und der Nachkriegszeit. Interviewpartner sind unter anderem Juden, Muslime, Christen, ein Widerstandskämpfer, ein Wehrmachtssoldat und Angehörige der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Auf den Grundlagen ihrer Recherchen erstellen die Jugendlichen eine englischsprachige Internetzeitung, die voraussichtlich Ende des Jahre online zu lesen ist. Mit viel Engagement arbeiten die jungen Leute im Alter zwischen 15 und 23 Jahren an ihren Artikeln. „Sie sind ein Team“, stellt Pies erleichtert fest. Er, der schon viele Male den Nahen Osten besucht hat, weiß, dass es auch anders hätte kommen können.

Doch jetzt heißt es erst einmal Abschied nehmen. Nach zwei Wochen kehren alle Beteiligten in ihre Heimatländer zurück – mit neuen Erkenntnissen im Gepäck. „Die Israelis und Deutschen sind nett. Ich hoffe, dass wir den Kontakt auch über das Projekt hinaus halten werden“, sagt Dina Alaraj (20) aus Beit Jala in Palästina. Dem stimmt Einat Goldmann (16) aus der israelischen Wüste Negev zu: „Wir haben in der Gruppe eine Menge Spaß.“ Auch die Studentin Carolin Manns aus Koblenz ist zufrieden: „Wir haben Kontakte geknüpft und Gemeinsamkeiten entdeckt. Das ist toll.“ Schon im Oktober treffen die Jugendlichen wieder aufeinander, um am Projekt weiterzuarbeiten. Diesmal im Gästehaus der deutsch-palästinensischen Schule Talitha Kumi bei Bethlehem „Untergebracht werden die Israelis und Palästinenser auf einem Gelände mit zwei Eingängen, der eine vom palästinensischen Gebiet A, der andere vom israelisch kontrollierten Gebiet C. „Sonst wäre eine Zusammenkunft undenkbar“, verdeutlicht Pies die Wirren des Konflikts. Sämtliche Artikel, die im Verlauf des Projekts entstehen, sollen nicht nur auf Englisch im Internet publiziert werden, sondern auch in einer eigenen Printausgabe erscheinen – in deutscher, hebräischer und arabischer Sprache.

Letztlich wollen alle Jugendlichen eine eigene Resolution zum Nah-Ost-Konflikt erarbeiten, die an Politiker aller Länder verschickt werden soll. Die Jugendlichen wollen damit beweisen, dass nur gegenseitiges Kennenlernen Ängste und Vorurteile abbauen und zu einem wirklichen Frieden führen kann. eck
Rhein-Hunsrück-Zeitung 26.8.2012

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