Sonntag, 22. Februar 2009

Informationen zur Großdemonstration am 11. Oktober 1986

An die
Gemeinderäte und Bürgermeister
um die Raketenbaustelle Hasselbach

Bell, den 04.8.86

Sehr geehrte Damen und Herren,

zwei Monate vor der Hunsrücker Großdemonstration möchten wir Ihnen, wie versprochen, weitere aktuelle Informationen geben.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Friedensgruppen im gesamten Bundesgebiet sind aktiv. Jede Woche kommen mehrere Gruppen, um sich an der Raketenbaustelle vor Ort ein eigenes Bild über die Situation zu machen. Zeitungen, Radio und Fernsehen berichten über die Aufrüstung im Hunsrück.

Organisatorisch sind noch viele Probleme zu lösen. Bisher ist es uns gelungen, für ca. 60.000 Demonstrationsteilnehmer Parkmöglichkeiten zu finden. Das entspricht etwa 1.200 Bussen - aneinandergereiht eine Strecke von 20 Kilometern. Hamburger, Berliner und Münchener
Friedensgruppen wollen mit Sonderzügen anreisen.
Die Bahnhöfe von Kastellaun und Bell sind aber natürlich nicht für große Sonderzüge ausgebaut. Die Strecke von Boppard kann außerdem dafür nicht mehr benutzt werden. Es bleibt nur noch die Rheinstrecke von Bingen. Trotzdem sind wir guter Dinge, das die organisatorischen Probleme rechtzeitig gelöst werden.


KEINE GEWALT IM HUNSRÜCK

Nach den Ausschreitungen in Wackersdorf und Brokdorf machen sich viele Hunsrücker Sorgen um gewalttätige Auseinandersetzungen. Dazu ist folgendes zu sagen: Bisher sind alle Veranstaltungen der Friedensbewegung absolut friedlich verlaufen. Während der letzten Großdemonstration in Bonn wurden an Polizisten Blumen verteilt. In der Friedensbewegung sind auch Polizeibeamte aktiv beteiligt. Wir protestieren nicht gegen die Polizisten, sondern gegen die Verantwortlichen der Wahnsinnsrüstung.

Wir wissen ganz genau: Ausschreitungen nützen nicht unseren Zielen, sondern würden uns ungemein schaden.

Sorgen macht uns dabei, das die Bundes- und Landesregierung im Vorwahlkampf gerne den Eindruck verbreiten möchten, die Friedensbewegung sei eine Ansammlung von gewalttätigen Chaoten. Wir werden natürlich alles unternehmen, um Provokateuren keine Chance zu lassen.

Wie wollen wir das erreichen ? Die meisten Teilnehmer, Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder reisen gemeinsam in Bussen als Gruppen an. Diese Gruppen kennen sich untereinander und lassen fremden "Radaubrüdern" keine Gelegenheit, um Rabatz zu schlagen.

Außerdem bieten wir auf mehreren Bühnen ein buntes, für den Hunsrück einmaliges Kulturprogramm an. Wie friedlich es dabei zugehen kann, hat kürzlich ein Festival in Bayern gegen die geplante Atomfabrik bei Wackersdorf mit fast 100.000 Teilnehmern gezeigt.

Wir erwarten im Hunsrück Kirchengruppen, "Ärzte gegen den Atomkrieg", Wissenschaftler, "Ordensleute für den Frieden", Ökologen, Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschaftler, Künstler, Schriftsteller, aber auch Christdemokraten, Soldaten der Bundeswehr und viele, viele Bürger, die gegen die verantwortungslose Aufrüstung ein Zeichen setzten wollen. Deshalb sind wir überzeugt: Es wird eine friedliche Demonstration.
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In den nächsten Tagen wird der Koordinationausschuss der Friedensbewegung in Bonn ein Büro in Kastellaun eröffnen. (Bopparderstr. 25) Vorerst werden dann vier Personen hauptamtlich an
den Vorbereitungen zur Herbstdemonstration arbeiten. Für Fragen, Anregungen aber auch Sorgen steht Ihnen das Büro jederzeit zur Verfügung. Die Telefonnummer werden wir im nächsten Rundbrief bekanntgeben.

Die konservative Tageszeitung "Frankfurter Allgemeine" berichtete am 5.August auf der Seite eins über die Arbeit des Koordinationausschuss der Friedensbewegung. In der Anlage fügen wir Ihnen eine Kopie dieses Artikels bei.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Sczech

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